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Digital Detox: Ein Selbstexperiment - Für oder gegen ein handyloses Leben
Vor kurzem musste ich gezwungenermaßen mein Handy zur Reparatur einschicken. Ein lästiger Akkuschaden hatte mich gezwungen, mich endlich von meinem ständigen Begleiter zu trennen - etwas, das ich lange vor mir hergeschoben hatte, Die Gründe waren vielfältig: ständige Erreichbarkeit, der Gedanke, die Kita könnte anrufen oder der Arbeitgeber bräuchte mich dringend. Ein Ersatzhandy hatte ich nicht zur Hand, und rückblickend betrachtet, war dies ein Glücksfall, denn dieses erzwungene Experiment entpuppte sich als die beste Erfahrung meines Lebens.
Ohne Handy beginnt mein Tag erstaunlich entspannt. Während viele morgens als erstes auf das Handy schauen, um den Wecker zu snoozen oder die Flut an Benachrichtigungen zu checken, konnte ich diese Routine komplett umgehen. Kein Scrollen durch Facebook beim ersten Kaffee, keine Ablenkung durch TikTok. Stattdessen nahm ich die morgendliche Ruhe wahr und konnte den Tag gelassen starten.
Ständige Erreichbarkeit war bisher eine Selbstverständlichkeit für viele Menschen. Ob in der Pause bei der Arbeit, wo WhatsApp-Nachrichten nebenbei beantwortet wurden oder während Gesprächen mit Kollegen, bei denen meine Aufmerksamkeit immer geteilt war. So richtig im Hier und Jetzt ist man selten. Ohne Handy jedoch können wir eine neue Dimension der Achtsamkeit entdecken. Plötzlich sieht man die bunten Gartentöpfe im Gartencenter, und führt ungezwungene Gespräche mit Fremden, aus denen sich vielleicht Freundschaften entwickeln könnten. Auch das Dating, das so oft durch Apps wie Lovoo bestimmt ist, kann eine neue Wendung nehmen. Statt enttäuschender und obszöner Nachrichten können Menschen sich ins reale Leben wagen und das Flirten von Angesicht zu Angesicht als aufregender und erfüllender empfinden. Es ist eine willkommene Abwechslung und bringt eine neue, unerwartete Dynamik in das Liebesleben vieler.
Als ich Freunden und Bekannten von meiner handlosen Zeit erzählte, erntete ich oft ungläubige Blicke. "Aber was machst du, wenn du in einen Unfall gerätst oder jemand dich dringend erreichen will?" wurde ich gefragt. Meine Antwort ließ sie oft sprachlos zurück. In einem Notfall, erkläre ich, findet man immer einen Weg, Hilfe zu bekommen. Es gibt Notruftelefone, Menschen auf der Straße oder andere Möglichkeiten, sich bemerkbar zu machen. Die Sorge um ständige Erreichbarkeit ist eigentlich unbegründet. Vor den Handys kamen wir doch auch gut zurecht, Tatsächlich überlege ich sogar, mir ein Festnetztelefonie anzuschaffen - ein Gedanke, der in der heutigen Zeit fast revolutionär erscheint.
Die Erfahrung, ohne Handy zu leben, war für mich ein wahrer Augenöffner. Sie zeigte mir, dass es jenseits der ständigen Erreichbarkeit so viel mehr gibt, das unsere Aufmerksamkeit verdient. Für meinen Seelenfrieden und ein bewussteres Leben war dieser unfreiwillige Digital Detox genau das Richtige.
Aber Moment mal, was hast du denn sonst gemacht außer auf TikTok zu scrollen?!
Während meiner Zeit ohne Handy habe ich neue Hobbys entdeckt und mich auf kreative Aktivitäten eingelassen. Das Malen nach Zahlen war nur der Anfang - plötzlich fand ich mich in einem Meer von Inspiration für Hausarbeit, Inneneinrichtung und meine beruflichen Projekte wieder. Diese Zeit der Selbstreflexion hat mich dazu gebracht, mich weniger mir anderen zu vergleichen. Die ständige Suche nach Perfektion und Schönheit im digitalen Raum wich einer tiefen Akzeptanz und Wertschätzung für mich selbst.
Ich nahm mir bewusst Zeit, um mich im Spiegel anzusehen und fand plötzlich Schönheit in den kleinen Details. Ich empfand ein tieferes Maß an Zufriedenheit, das sich positiv auf mein Umfeld auswirkte. Die Interaktionen mit anderen gewannen an Qualität, da wir uns bewusster miteinander austauschten und uns die Zeit füreinander nahmen. Diese Investition in zwischenmenschliche Beziehungen führte zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen, das von gegenseitiger Wertschätzung und Verständnis geprägt war.
Mein Konsumverhalten änderte sich ebenfalls - ich begann, bewusster mit meinem Geld umzugehen und unnötige Käufe zu vermeiden. Wichtige Apps habe ich auf meinem Tablet gespeichert, das ich nur noch zum Studieren nutze. Dies reduzierte nicht nur meinen Online-Konsum, sondern auch die Anzahl der überflüssigen Rechnungen, die sonst oft auf meinem Konto landeten.
Während dieser Phase der Entgiftung vom Handy fand ich neue Wege, mich mit meiner Umgebung zu verbinden. Ich war vermehrt mit dem Rad unterwegs, was mir die Möglichkeit gab, die Schönheit der Umgebung bewusster wahrzunehmen und die Augenblicke des Lebens in vollen Zügen zu genießen. Zusätzlich nahm ich mir mehr Zeit für meine Familie und mein eigenes Wohlbefinden. Diese bewusste Entscheidung mich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren, erlaubte es mir, Momente der Schönheit und Freude einfach für mich selbst zu erleben - als kostbares Geschenk, das nur ich allein zu schätzen wusste und das niemand anders jemals ganz nachempfinden könnte - nicht einmal, wenn er eines meiner Bilder im Netz betrachten würde.
Traust du dir das zu?
Es ist von Bedeutung anzumerken, dass das Verlassen einer so etablierten Routine wie der fortwährenden Nutzung des Handys sowohl Vorzüge als auch Herausforderungen mit sich bringen kann Trotzdem lautet meine Antwort auf die Frage, ob ich anderen Menschen einen Handy-Detox empfehlen würde, klar und bestimmt: Ja!
Für mich persönlich war es eine Erleichterung, das Handy für eine Weile abzulegen, nach der Reparatur tatsächlich auch nur ausschließlich gewerblich zu nutzen. Doch ich bin mir bewusst, dass es für manche Menschen durchaus schwierig sein kann. Der Verzicht auf das Handy kann dazu führen, dass einem plötzlich bewusst wird, wie stark man seine sozialen Kontakte über das Netz gepflegt hat, während echte, persönliche Beziehungen vernachlässigt wurden. Dies kann schmerzhaft sein und Ängste sowie Sorgen auslösen.
Es ist wichtig anzumerken, dass der Artikel lediglich zur Information dient und keine therapeutische Beratung ersetzt. Menschen, die unter Ängsten, Panikattacken oder anderen psychischen Erkrankungen leiden, sollten vor der Durchführung eines Handy-Detox mit einem Fachmann oder einer Fachfrau sprechen.